Galerie Platform, Vaasa, Finnland
2005

Die Europäische Union ist seit den jüngst in Frankreich und Holland veranstalteten Volksaufständen gegen die politischen Eliten nicht nur in unruhiges Fahrwasser geraten, sondern auch, wie allenthalben erklärt wird, in eine Sinnkrise und in direkter Folge in ein Vakuum der Visionen.

Die propagierte „Denkpause“ wird wie die Strategie des „Stillhaltens bis zum nächsten Gipfel“ von Seiten einflussreicher Politiker befürwortet. Aber: Was muss während dieser Pause geschehen? Oder: Wie wird gewartet? Die Freie Klasse zeigt Perspektiven aus der Perspektivlosigkeit, zeigt, wie man beim Warten die Nerven behält und sich europäisch die Zeit vertreibt.

Auf großformatigen Malereien wird der Gipfel in Europa beschworen, vor dem die Europäer verharren (Johannis Café München, Bar zum lustigen Boxer Marseille) und Sternchensuppe löffeln! In einer Videoarbeit wird das einst wunderbar harmonisch funktionierende Spiel der politischen Klasse,  bekannt geworden unter dem Titel „eine Hand wäscht die andere“, mit neuem Leben versehen und für breitere Bevölkerungsschichten aktualisiert. Dabei ist eben nicht immer nur das Geld das Waschmittel. Dennoch verlangt eine gründliche Säuberung eine noch gründlichere Trocknung:  „Starmix“ (europäische Spitzentechnologie) macht‘s möglich. Ist es Zufall, dass die damit in Zusammenhang stehende Fotoarbeit der Freien Klasse an Dürers betende Hände erinnert, oder bleibt am Ende nur noch das Beten als letzte Chance? Diese und weitere Fragen versucht die Freie Klasse in der Ausstellung „Rettet Europa II“ zu beantworten.

Der Titel „Rettet Europa II“ weist darauf hin, dass mit der Ausstellung Bezug genommen wird auf eine vergangene gleichen Titels, die 1994 in der Interimsgalerie der Künstler in München durchgeführt wurde.  Damals noch unter völlig veränderten Bedingungen wurden spezifische Aspekte Europas dem Publikum vorgetragen. Die nunmehr deutlich veränderte Stimmung lässt die Freie Klasse reagieren: natürlich kommt die Rettung - wie so vieles in letzter Zeit - aus Bayern!!

Seit der Gründung der Freien Klasse 1987 bilden künstlerische Projekte den Schwerpunkt, die aus dem Kontext Kunst ausbrechen und das alltägliche Leben zum Thema, zum Material und Ort ihrer Manifestationen und Objektivationen machen. In ihren Versuchen ist die gewollte Annäherung von Kunst und Leben freilich immer nur eine anscheinende. Durch das betonte „als ob“ bleiben die Hervorbringungen artifizielle Gegenwelten; ansonsten würden sie kaum im Kunstkontext thematisch werden. Die Ausstellung in einer Galerie legt den Focus von vornherein auf die Kunst fest. Aus diesem Grunde will die Freie Klasse auf großformatige  Malereien nicht verzichten. Sie geben den Ton an und umreißen das Thema. Objekte, Videoarbeiten und Fotografien komplettieren die Schau und liefern kleine, aber feine zusätzliche Aspekte. 

Rettet Europa II in Vasa ist eine sorgenvolle, ambitionierte Ausstellung, die verdeutlicht , dass in Europa zwischen Kunst, Kneipe und Krise eine Korrelation besteht, ein Konsens, eine Koalition, eine Konjunktion, eine Komplikation, ein Konflikt! Fürwahr!!