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SCHAUMWAESCHE 1997

Info
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Schaumwäsche
Ausstellung
Förderpreis für Neue Ausdrucksformen
Künstlerwerkstatt Lothringer Straße, München
1997

Freie Klasse verdeutlicht Kausalnexus von Fahrzeug- und Politikhygiene. Danke!

Als ich die Arbeit „Schaumwäsche“ der Freien Klasse anlässlich der Präsentation der Vorschläge zur Vergabe der Förderpreise der Stadt München in der Lothringer Straße sah, fand ich sie auf seltsame Art ansprechend und lächerlich zugleich: da hing eine riesige Leinwand, ein Bild eines Autos, das in eine Waschstraße fährt, ein Bild das permanent tropfte und eine schäumende Lache am Boden verursachte. Zusätzlich standen Eimer und lagen Schläuche und Schwämme herum. In einem Monitor auf einer gekachelten Grundfläche lief ein Videofilm: zu sehen waren Hände, die sich nacheinander und abwechselnd wuschen. Über allem lag ein leichter Chlorgeruch.

Schaumwäsche – war das die Weiterführung des Diskurses um Reinheit und Affirmation aus den 70ern, in dem die „Modellierung der Sinnlichkeit“ (Haug) als Ausdruck der Wirksamkeit organisierter Herrschaft verhandelt wurde? Damals war es weniger das Auto, sondern der menschliche Körper, der von der Werbung als Konfliktfeld auserkoren wurde: „Banner bannt Körpergeruch“! Der darauf bezogene politische Diskurs stilisierte diese Regulierung der Körperfunktionen, als wären sie von bösen Mächten befallen, zu einer Form einer außengelenkten gesellschaftlichen Affirmation, zur undemokratischen Anerkennung einer Status- und Klassenhierarchie. Die Eingriffe am Körper und seinen Funktionen hat sich bis heute radikalisiert, die damit verbundenen kritisch-politischen Implikationen von einst interessieren keinen mehr. Coole und designte Körper schwitzen nicht und wenn sie schwitzen, dann geruchlos und ästhetisch und im Dienste anderer Gebrauchswertversprechen, wie beim Coca-Cola-Mann oder den Latinotruppen der schwülstigen Alko-pop-Werbungen.

Natürlich verhält es sich mit dem Auto nicht viel anders als mit dem Körper. Sauberkeit und Makellosigkeit garantieren gesellschaftliche Anerkennung. Die Waschstraße hat seit langem Erlöserfunktion. Im Glauben an sie werden religiöse, merkantile und gesellschaftliche Wirkungszusammenhänge verbunden. So ist das tropfende Bild der Waschstraße denn wohl auch zu verstehen: als Anspielung auf die vielen Berichte über die blutenden und weinenden Ikonen. Über ein Bild eines Gekreuzigten in der Sophienkirche in Konstantinopel heißt es: „Von seinen Fußwunden floss hl. Wasser herab, das viele Leute heilte“ (Vgl. Belting). Also nett gedacht von der Freien Klasse, aber trotzdem: Ist das wirklich noch darstellenswert?

Schaut man genauer hin, dann wird aber kein beliebiges Auto gewaschen. Es ist das Hilfsmobil der Hilfsorganisation HHH, der Freien Klasse, jener Organisation, die zu gründen in den Kreisen der politisch korrekten (sauberen) Menschen mit überwältigendem Durchblick nicht als kritische, sondern als zynische Aktion, die den bestehenden gesellschaftlichen Status quo lediglich bestätigt, bewertet wurde.

Wird hier also nun Reinwaschung betrieben? Wird die bildhaft vollzogene Übernahme von Normen der Sauberkeit und Korrektheit zum Eingeständnis der eigenen Insuffizienz? Freie Klasse also mal wieder total gescheitert? Ist in diesem Sinne die Arbeit eine erneute selbstbewusste Präsentation der eigenen Leidensfähigkeit. Steht sie damit in einer Reihe mit anderen Arbeiten der Freien Klasse, die für ihre Mitglieder nach eigener Ansicht als zur Schaugestellte Missgeschicke und Peinlichkeiten eine eigene ästhetische Kategorie mit kathartischer Wirkung begründen? Oder ist die Arbeit möglicherweise damit auch eine inszenierte Entschuldigung und Bekräftigung, den rechten, weil sauberen, Weg zu gehen, und damit eine kalkulierte Empfehlung an die Jury: In Zukunft wird alles besser!? Die Freie Klasse hat darauf keine Antwort gegeben, sondern lediglich empfohlen, sich ein Fläschchen der vom Bild tropfenden schäumenden Flüssigkeit abzufüllen, zur äußerlichen Anwendung.

Schmutzvernichtung und Reinwaschung ist aber ein interessantes Thema, betrachtet man die Arbeit quasi von ihrem Ende her. Einen Preis zuerkannt zu bekommen, aber dann doch nicht – zumindest ihn nicht ausbezahlt zu bekommen – , weil ein Stadtrat einer großen bayerischen Volkspartei mit dem Modus der Entscheidungsfindung der Jury nicht einverstanden war, macht deutlich: Sauberkeit und Ordnung als Paradigmen politischen Handelns setzen sich durch. Damit macht dieser polit-hygienische Schachzug, der letztlich aber in seiner Kritik an einer angeblich nicht ganz sauber agierenden Jury nur die sauberkeitsbeflissenen Künstler traf, auf das enge Verhältnis von Hygiene und Macht aufmerksam: „Sauber ist oben und hier (...), schmutzig ist unten und (...) hat keinen Zweck“ (Enzensberger).

 

Pia Klapper