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Schießen auf wilde Tiere 2003

Info
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Schießen auf wilde Tiere

Geladener Wettbewerb,
Kunst im öffentlichem Raum
München
2003

 

 

 

Der 2. Oktober 1879 markiert die Gründung des Königlich Bayerischen Armeemuseums, dessen neuerrichteter Monumentalbau am Hofgarten 1905 bezogen werden konnte. In der dort untergebrachten Sammlung wurden die Bestände der bayerischen Zeughäuser zusammengeführt. Die Sammlung umfasste moderne wie historische Waffen, Trophäen, aber auch die Mustersammlung und Proben der Gewehrfabrik Amberg. Mit dem 2. Weltkrieg fiel das Gebäude und Teile der Exponate den Fliegerbomben zum Opfer.

Von besonderen Bedeutung, teilweise im Außenbereich aufgestellt, war eine Sammlung von Prunkgeschützen mit ausgeprägter bildhafter Gestaltung. Besonders auffallend waren die figürlichen Gestaltungen der Kanonenmünder als aufgerissene Löwenmünder und der Stoßböden als Löwenhäupter. Allgemein wurden diese Geschütze „die Löwen“ genannt. Eine der noch erhaltenen Kanonen trägt sogar eine Mahnung. Zu sehen ist auf dem Längsfeld des Kanonenrohrs ein schlafender Löwe mit der mahnenden Inschrift „Weck mich nit auf“. So wird die Waffe zum Hoffnungsträger für die bessere Welt.

Diese Ambivalenz von Schlafen und Wachen des Löwen zeigt sich bereits in Darstellungen des Altertums. Im Physiologus wird als eine Eigenart des Löwen beschrieben: „Wenn der Löwe schlummert in seiner Höhle, so ist’s doch eher ein Wachen, denn geöffnet bleiben seine Augen.“ Neben der damit verbundenen Auslegung im Sinne eines göttlichen Wächtersymbols erscheint der Löwe ebenso als Sinnbild fürstlicher Macht und ist bis heute Bestandteil des bayerischen Wappens.

Das Vorrecht des Territoriumsherrn und des Adels auf die Jagd nach herrschaftlichen Tieren, die später durch das Schießen auf Scheiben in stilisierten Tierformen abgelöst wurde, erfuhr mit dem Vögelschießen auf dem Oktoberfest seit 1816 und den Schießbuden seit 1839 eine Popularisierung. Zur Steigerung des Vergnügens wurde das Schießen auf bewegliche Metallfiguren, meist Groß- oder Kleinwild, entwickelt. ( Eine Variante mit lebenden Ratten konnte sich nicht durchsetzten..) Bis heute ist das „Schießen auf wilde Tiere“ eine Attraktion auf dem Oktoberfest geblieben.

Mit der Schießbude wird die Macht über das herrschaftliche Tier im Augenblick des Anlegens, Zielens und Schießens zu einer emanzipatorischen Symbolhandlung. In diesem Sinne lässt sich die Schießbude als Ausdruck des demokratischen Selbstverständnisses des Volkes verstehen.

 

Weck mich nicht auf

Die Freie Klasse schlägt vor, im Dialog mit Staatskanzlei und Armeemuseum eine Schießbude, unabhängig von einer Terminierung, am Jahrmarktsgeschehen aufzustellen. Sie visualisiert damit über einen längeren Zeitraum eine Alternative zu dem am gewählten Ort besonders deutlich merkbaren exekutiven Machtanspruch.

Die geplante Schießbude besteht in Anlehnung an einen Kanonenlauf aus einer Edelstahlröhre, die über eine Treppe bis zu einer festinstallierten Schießvorrichtung betreten werden kann. In der Röhre ist durch eine Sichtöffnung der Blick auf die Löwensilhouetten freigegeben. Die Löwen sind am Ende der Röhre auf einem rotierendem Rad so befestigt, dass sie im Fall eines Treffers umkippen und mittels eines einfachen Mechanismus während des Drehvorgangs wieder aufgerichtet werden. Die Rückseite der Röhre, vor der sich die Löwen bewegen, ist verglast. Damit kann vom Altstadtring her von Passanten und Autofahrern die Jagd auf die wilden Tiere beobachtet werden. Durch die Situierung der Schießbude an dem künstlich angelegten Bach ist durch eine kleine Pumpvorrichtung Zu- und Abfluss des Wassers für die Schießvorrichtung sichergestellt.

Die Schießbude ist tagsüber geöffnet!