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Deutsche Hautkrankheiten 1995

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Deutsche Hautkrankheiten

Fotosequenz, ca. 60 x 80 cm
Interimsgalerie, München

Wir müssen davon ausgehen, dass die Hautkrankheiten nicht älter sind als die Haut, d.h. so alt wie der Mensch und höhere Lebensformen überhaupt.

Deutsche Hautkrankheiten wurden erstmals im Jahre 1767 durch den Leipziger Arzt und Philosophen Anatol Lucksch von denen anderer Nationen unterschieden. Seither zieht sich die Deutsche Hautkrankheit durch die Geschichte und Gegenwart der Medizin.

Die DH kommt ausschließlich in Deutschland überproportional gehäuft vor, ein Umstand, dem sie letztlich ihren Namen zu verdanken hat. Auch neuere epidemiologische Statistiken der World Health Organisation (WHO) zeigen keine signifikanten Schwankungen in der Ausbreitung des Endemiegebietes. Hielt Lucksch die Hauterscheinungen seiner Patienten noch für individuell variante Verläufe ein und derselben Krankheit, so konnte der Wiener Dermatologe Johannes Kroninger zeigen, dass unter dem Begriff „Deutsche Hautkrankheit“ vielmehr die übergeordnete Bezeichnung unterschiedlichster dermatologischer und venerologischer Erkrankungen zu verstehen ist. 1832 veröffentlichte Kroninger seine „Lainzer Systematologie von den deutschen Erkrankungen insofern sie die Haut und die ihr anhängenden körpereigenen Gebilde betreffen“, die großes Aufsehen erregte und die Fachwelt in verschiedene Lager spaltete. Durch den technischen Fortschritt in der Diagnostik wurden viele der Erkenntnisse Kroningers bestätigt, sie stellen die Basis der heutigen „Tübinger Klassifikation“ dar. Mit dem Beginn der systematischen Erforschung der Deutschen Hautkrankheit begann auch ihre demographische Erfassung. Neben der Weiterentwicklung der Therapiemöglichkeiten trugen die Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände, der Ernährung und der hygienischen Verhältnisse in den letzten 150 Jahren entscheidend dazu bei, die Morbidität der Deutschen Hautkrankheit erheblich zu senken. Erst in den letzten zehn Jahren war wieder ein leichter Anstieg der Erkrankungen zu beobachten.

Über die Ursachen dieser Zunahme sind die Meinungen in der Fachwelt geteilt. Einige Experten sehen den Hauptgrund in der wachsenden Anzahl schädlicher Umwelteinflüsse wie allergener Aerosole, Strahlung und Stress. Andere zwar bestreiten den schädigenden Einfluss von Umweltfaktoren nicht, jedoch ist nach Ansicht anerkannter Dermatologen in erster Linie eine falsche Lebensführung, verbunden mit einseitiger Ernährung, übermäßiger Anwendung von Kosmetika und die Verwendung synthetischer Fasern in der Textilindustrie ausschlaggebend für den aktuellen Trend.

Dennoch prognostiziert die Deutsche Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie einen Rückgang der Erkrankungen bis zum Jahr 2020. Den Grund für diese optimistische Einschätzung sieht man bei der DGDV in der zu erwartenden weiteren Verbesserung von Diagnostik und Therapie sowie im Greifen prophylaktischer Maßnahmen. Zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium will man in der Öffentlichkeit eine Kampagne zur Vorbeugung der Deutschen Hautkrankheit starten, ähnlich den „AIDS“- und „Keine Macht den Drogen“- Aufklärungsfeldzügen. Entsprechende Maßnahmen wurden für das Maligne Melanom bereits vor Jahren ergriffen.

Wichtig zur Vorbeugung der Hautkrankheit ist vor allem, dass sich jeder ständig gut selbst beobachtet, auch wenn er nicht Angehöriger einer Risikogruppe (z.B. Arbeiter in der chemischen Industrie, Tierpfleger, Kanalarbeiter, Bademeister u.a.) ist. Im Vordergrund steht hierbei das Betasten und die Inspektion des gesamten Integuments (Haut einschließlich Anhangsgebilde wie Fingernägel, Haare), sowie der Geschlechtsorgane. Früherkennungsmerkmale, deren Erscheinungsbilder jedem bekannt sein sollten, sind hierbei die sogenannten Primär- und Sekundäreffloreszenzen.

Falls eine dieser Effloreszenzen bemerkt wird, sollte umgehend der Hausarzt oder der Dermatologe konsultiert werden. Zwar haben die meisten Krankheiten aus dem Formkreis der Deutschen Hautkrankheit eine gute Prognose quod vitam (schlechte Prognose beispielsweise bei Malignem Melanom oder Syphilis, die nach jahrelangem Leiden und Idiotie oft letal enden), jedoch beeinträchtigen viele der Erkrankungen die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich, häufig ist ein Berufswechsel notwendig, nur in seltenen Fällen resultiert Erwerbsunfähigkeit. Bei der Deutschen Geschlechtskrankheit (Veneropathia teutonica) ist eine eingehende Untersuchung aller Geschlechtspartner indiziert.

Je früher eine Erkrankung erkannt wird, um so besser sind die Aussichten auf Heilung oder wenigstens Schadensbegrenzung. Hier wird in den kommenden Jahren vor allem die Gesundheitspolitik gefordert sein, Aufklärung der Bevölkerung und kostenlose Vorsorge-Reihenuntersuchungen sind dringend notwendig. Aber auch jeder Einzelne sollte darauf achten, Risikofaktoren (Strahlung, Kosmetika, Ernährung) zu vermeiden.

Mag die aufopferungsvolle Arbeit der Freien Klasse auch nur ein Stein sein in dem prophylaktischen Bollwerk, das uns vor der Deutschen Krankheit schützt, so ist sie doch ein Vorbild für viele junge Menschen – ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung.

 

Thomas Winter (Arzt)